Strickmuster für den Wohlfühl-Feminismus

Schon lange nicht mehr haben sich im Namen des Feminismus so viele Menschen auf die Strasse begeben wie am Women’s March on Washington. Die Demonstrierenden trugen die selbstgestrickten Pussyhats so zahlreich, dass sie die Menschenmassen pink einfärbten. Die Mützen wurden zu einem markanten visuellen Identifikationsmerkmal des Protests gegen die Trump-Administration. Sie stehen für einen mehrheitsfähigen Feminismus, allerdings mit fragwürdigen Referenzen.
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Jayna Zweiman und Krista Suh

Jayna Zweiman und Krista Suh, Initiantinnen des Pussyhat Projects, Foto: Lucy Nicholson / Reuters

Der Women’s March on Washington gehört zu den grössten Demonstrationen in der amerikanischen Geschichte. Aber auch in zahlreichen anderen Städten und in weiteren 81 Ländern gingen die Leute auf die Strasse. Die weltweite Beteiligung wird auf 5 Millionen Menschen geschätzt. In der Schweiz hingegen blieb es ruhig, und die Proteste waren in der hiesigen Presse höchstens eine Randnotiz wert. Ohne internationale Medien hätte man den Eindruck gewinnen können, beim Women’s March handle es sich um eine (feministische) Nischenbewegung. Das Gegenteil ist der Fall. Der Feminismus in den USA ist mehrheitsfähiger denn je und in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Auf der illustren Redner/innenliste des Women’s March waren auch Madonna und Scarlett Johansson. Hillary Clinton räumte in ihrem Präsidentschafts-Wahlkampf stolz ein, die «women card» zu spielen. Selbst Ivanka Trump setzt auf Frauenpower, indem sie unter dem Hashtag #WomenWhoWork eine Lifestyle-Firma aufgebaut hat.[1]

Fast ebenso populär wie der Women’s March waren die Pussyhats – selbstgestrickte pinke Wollmützen. Weniger als drei Wochen vor der Demonstration wurde die Idee samt Strickmuster von drei Frauen im Netz verbreitet und löste eine regelrechte Strickwut unter amerikanischen Frauen aus.[2] Die pinken Mützen wurden zu einem markanten visuellen Zeichen am Women’s March. Die Verbreitung war enorm, und die Tatsache, dass so viele sich strickend auf die Demonstrationen vorbereitet haben, wirkte (wie vielleicht auch von den Initiantinnen erhofft) verbindend.

Women’s March on Washington, 21. Januar 2017

Women’s March on Washington, 21. Januar 2017, Foto: Martha Tesema / Mashable

Als positives, humorvolles Symbol steht der Pussyhat für einen populären Feminismus, der auch Spass machen will.[3] Das Problem ist nur, dass dabei der Spass auf Kosten der feministischen Anliegen geht. Entstanden ist der Pussyhat als Reaktion auf Donald Trumps auf Video aufgezeichnete Aussage, mann könne Frauen jederzeit zwischen die Beine fassen («Grab them by the pussy. You can do anything.»). Eine diskriminierende Rede symbolisch umzudeuten und in ein Werkzeug für den Widerstand umzumünzen, ist eine bewährte Strategie, auch im Feminismus. Nur, wenn die feministische Antwort auf Trumps Aufforderung zu sexuellen Übergriffen gegen Frauen tatsächlich eine selbstgestrickte Wollmütze mit Katzenohren ist, funktioniert das nicht. Die Symbolik des Pussyhats verniedlicht den Protest gegen sexistische Aussagen und, schlimmer noch, sie verharmlost auch Trumps Äusserung. Besser wird die Sache nicht, wenn man bedenkt, dass der Pussyhat kaum Ähnlichkeit mit einer Vagina hat (was immerhin abschreckend wirken könnte). Sie ist eine formlose Mütze mit Katzenöhrchen. A propos Katzen: Es gibt im Englischen den Begriff ‹Catcalling›. Damit gemeint sind verbale sexuelle Belästigungen und plumpe Anmachen auf der Strasse. Ein sehenswertes Video von Shoshana Roberts, das kürzlich in den sozialen Medien kursierte, zeigt, wie Roberts während eines zehnstündigen Spaziergangs durch NYC mehr als 100mal Opfer solcher Catcalls wird. Sie wird angesprochen, ihr Aussehen kommentiert. Ein Mann läuft ihr minutenlang hinterher. Eine selbstgestrickte Katzenmütze hätte ihr in dieser Situation wenig geholfen.  

Ein Problem der Pussyhat-Symbolik ist, dass sie verharmlosend wirkt, ein Mangel an Widerstand verkörpert. Im Netz wimmelt es von Selfies mit Frauen, die sich mit ihren Pussyhats in Szene setzen. Sie tragen eine Art Mode für kalte Wintertage zur Schau. Zugegeben, es weht derzeit ein eisiger Wind für die Frauenrechte. Aber müssen wir uns deshalb warme Mützen anziehen und einmal mehr das Bild der defensiven Frauenrolle bestätigen? Nein. Umgekehrt: Warm anziehen sollten sich Leute wie Donald Trump!

Der Pussyhat will traditionelle weibliche Symbole aufwerten. Bestehende Rollen- und Machtverhältnisse werden dadurch nicht etwa in Frage gestellt, sondern zementiert. Die Idee hinter dem Pussyhat Project war es, frau dazu zu bewegen, sich im Vorfeld des Women’s March mit ihresgleichen zum kontemplativen Stricken zusammenzufinden und so ein Zeichen des Widerstandes setzen. Unter dem Motto «Make and Give» riefen die Organisatorinnen dazu auf, eine Extra-Mütze stricken und dazu eine persönliche Botschaft an die Spendenempfängerin auf einen vorgedruckten Zettel zu notieren.[4] Am Women’s March gab es Depots, wo Pussyhats abgeholt und hingebracht werden konnten.

Gegen gemeinsames Stricken lässt sich zunächst wenig einwenden. Anderserseits: Haben Frauen nicht schon lange genug in den Stuben gesessen und (für andere) gestrickt? Öffentliche Anerkennung feministischer Anliegen lassen sich mit solchen Aktionen kaum befördern. Und die Idee, dass man traditionell weiblich konnotierte Tätigkeiten aufwertet, indem man Stricken wieder salonfähig macht, wurde längst umgesetzt. In der Kunst beispielsweise fand diese Aufwertung bereits in den 1960er Jahren statt: Das Ausstellen und Aneignen von kunsthandwerklichen Materialien und Techniken fand damals im Zuge einer Werteverschiebung in der Kunst statt. Künstlerinnen wie Louise Bourgeois oder Eva Hesse machten damit auf die strukturelle Abwesenheit von weiblichen Künstlerinnen im Kunstbetrieb aufmerksam. Gleichzeitig stellten sie starre Wertekategorien in Frage, wie jene von freier (traditionell männlicher) und angewandter (traditionell weiblicher) Kunst. Seither – und nicht zuletzt dank diesen Künstlerinnen – haben sich solche Hierarchien zunehmend aufgeweicht. Wenn also heute Frauen kollektiv Mützen stricken, lässt sich dies nicht eindeutig als feministische oder überhaupt als politische Aussage verstehen. Vor allem auch deshalb, weil in den letzten Jahren das Kunsthandwerkliche ein Sinnbild geworden ist für die Rückkehr zum Selbstgemachten, Regionalen, Ursprünglichen. Kleider stricken, Brot backen, den eigenen Kompost anlegen statt Importprodukte konsumieren. Mit dem expliziten Aufgreifen dieser Do-It-Yourself-Kultur begibt sich das Pussyhat Project deshalb in gefährliche Nähe zu rechtskonservativen Forderungen, lokale, nationale Produktion wiederzubeleben (America first!).

Poster des Pussyhat Global Virtual March, 8. März 2017

Poster des Pussyhat Global Virtual March, 8. März 2017

Das Pussyhat Project setzt auf ebenso bequeme wie individuelle Formen des Protests, wobei frau gar nicht zwingend das Haus verlassen muss: «Provide people who cannot physically march on the National Mall a way to represent themselves and support women’s rights by creating and gifting pussyhats.» Mit der persönlichen Wahl der Wolle, Farbe und Technik entstehen so viele individuelle Mützen, wie es Frauen gibt. Der Pussyhat ist ein Wohlfühl-Merchandising-Produkt, bei dem jede(r) seine Kreativität ausleben kann. Wie praktisch, wenn man sich für eine gute Sache einsetzen und sich dabei auch gleich selbst noch etwas Gutes tun kann! Selbstoptimierung, Konsum und Feminismus finden hier ganz ohne Reibung zusammen. Vorgemacht haben das Werbungen wie Always übrigens schon seit einigen Jahren.[5] Der Pussyhat-Welle hat übrigens auch die Modeindustrie erreicht. Auf ihrer letzten Modeschau in Mailand veranstaltete die italienische Modedesignerin Angela Missoni ihren eigenen kleinen Women’s March: Sie liess ihre Models eigens designte Pinke Mützen tragen. Marke Missoni.[6]

Missoni Modeschau in Mailand, Februar 2017

Missoni Modeschau in Mailand, Februar 2017, Foto: Elle Australia

Pussyhats sind gerade deshalb anschlussfähig, weil sie solche aktuell popfeministischen Werte in sich vereinen. Fraglich ist nur, ob wir damit auch im Kampf um mehr Lohngleichheit oder gegen Sexismus weiterkommen, oder doch eher beim gemütlichen Stricken die Sorgen vergessen. Anlässlich des Internationale Frauentags rufen die Organisatorinnen des Pussyhat Projects zur virtuellen Demo: «March on Social Media! Pussyhat Global Virtual March!» Anders als beim Women’s March muss man das Haus nun gar nicht mehr verlassen. Einfach einen Pussyhat stricken, ein Transparent mit einer politischen Botschaft basteln, ein Selfie machen, posten, und schon ist das mit dem Demonstrieren erledigt! Die bessere Alternative ist es, den Pussyhat zuhause zu lassen und mit freiem Kopf die Strassen unsicher zu machen. Und wer unbedingt auf Donald Trump referieren möchte, kann den Slogan von der diesjährigen 8.-März-Demo in Berlin in die Frühlingsluft hinausschreien: «Make Feminism a threat again!»

[1] Amanda Hess belegt mit diesen Beispielen die aktuellen Ausprägungen eines Popfeminismus in den USA. Siehe Amanda Hess, «How a Fractious Women’s Movement Came to Lead the Left», The New York Times, 7. Februar 2017.

[2] Siehe Sarah Young, «Pussyhat project: How a knitted hat became a sign of defiance against Donald Trump», Independent, 17. Januar 2017.

[3] «Who wears pussyhats? Feminists wear pussyhats! And lots of different people are feminists», Pussyhat Project, FAQ, 2017.

[4] Siehe Pussyhat Project, Mission, 2017.

[5] Wie Anm. 1.

[6] Mahalia Chang, «Missoni Staged Its Own Women's March In Milan, Pussy Hats And All», Elle Australia, 27. Februar 2017.